Mittwoch, 2. Dezember 2009

“E-Books im akademischen Mainstream angekommen” - britische Bibliotheken testeten digitale Lektüre

Welche Vorteile haben E-Books im Schul- und Universitätsbetrieb? Um das herauszufinden, lief in Großbritannien von 2007 bis 2009 ein großangelegter Feldversuch – das „National E-Book Observatory Project“. In Zusammenarbeit mit Verlagen und Bibliotheken wurden Lehrbücher und Standardwerke ausgewählter Fachbereiche in elektronischer Form zur Verfügung gestellt. Erste Ergebnisse zeigen: E-Books sind im akademischen Mainstream angekommen.

Test unter realen Bedingungen: wichtige Lehrbücher standen online als E-Book zur Verfügung

Am Anfang des „National Book Observatory Projects“ stand eine nüchterne Feststellung: es gibt überhaupt noch nicht genügend E-Books im akademischen Lehrbetrieb, um eindeutige Aussagen über den Sinn elektronischer Lektüre für die Alma Mater zu machen. Also bestand der erste Schritt darin, das zu ändern: dass für IT im Bildungswesen zuständige Joint Information Systems Committee (JISC) versorgte ausgewählte Fächer (Ökonomie, Medizin, Ingenieurswissenschaften sowie Medienwissenschaft) mit digitalem Lesestoff. Für die Beschaffung der digitalen Lizenzen standen 600.000 Pfund zur Verfügung – damit konnten die wichtigsten Lehrbücher als E-Books online zur Verfügung gestellt werden.Die Nutzung erfolgte zwischen 2007 und 2009 nach dem Prinzip„free-at-the-point-of-use“, d.h. sie war für die Leser kostenlos. Zur Auswertung nutzte man einerseits ganz einfach die angefallenen Log-Dateien, dazu gab es eine Befragung von Dozenten und Studierenden.

Mit E-Books konnten Engpässe während der Prüfungsphasen ausgeglichen werden

Zu den „Key Findings“ der Befragung gehört: zwei Drittel (64%) der Akademiker nutzen mittlerweile E-Books für Lehre und Studium, Bezugsquellen sind neben den digitalen Ressourcen der Bibliotheken vor allem E-Book-Stores oder das „offene“ Internet. Im Verlauf des Projekts nahm die Bedeutung der Uni-Bibliothek bei der E-Book-Versorgung allerdings stark zu. Besonders hoch waren die Zugriffe während der Prüfungsphasen – hier konnten E-Books die begrenzten Bestände an Papierversionen ausgleichen. Gerade für modularisierte Studiengänge im Zeitalter von Bologna könnten E-Books also helfen, einen der „Bottlenecks“ des Lehrbetriebs zu entlasten. In den Fächern Business, Engineering und Media Studies gab es in der Testphase ingesamt 46.000 Zugriffe auf 26 verfügbare Lehrbücher, insgesamt wurden mehr als 700.000 Seiten gelesen.

E-Books wurden mit demselben Scanner-Blick gelesen wie Webseiten

Besonders interessant war die Art und Weise des Zugriffs – die E-Books wurden mit ähnlichem „Scanner-Blick“ gelesen wie Webseiten. Die meiste Zeit ging bei der „Lektüre“ für das Suchen und Blättern verloren. Das JISC folgert daraus, dass E-Books eher als Ergänzung und nicht als Ersatz von Printversionen dienen könnten. Darauf deutet auch die Tatsache hin, dass weder die Ausleihe von Print-Versionen noch der Verkauf von Lehrbüchern während des E-Book-Projekts signifikant nachgelassen haben. Das dürfte die Verlage in punkto E-Books beruhigen – immerhin nehmen sie mit gedruckten Lehrbüchern jedes Jahr 200 Millionen Pfund ein. Der Mehrwert von E-Books scheint auf einer anderen Ebene zu liegen. Ein besonderer Vorteil war offenbar die ständige Verfügbarkeit – der Online-Zugriff erfolgte auch abends und nachts, oft von außerhalb des Campus. Die Benutzung war allerdings während der Testphase nur Online möglich - viele Studenten äußerten deswegen den Wunsch, E-Books auch offline auf mobilen Geräten lesen zu können. Das ist an vielen deutschen Universitäten mittlerweile dank flexiblem DRM-Schutz möglich – dafür ist allerdings die Zahl der digitalen Lizenzen begrenzt. So kommt zum analogen Engpass im Zweifelsfall auch der digitale Engpass dazu.


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